bookmark_borderÜber BILLIGES FLEISCH

Die Corona-Krise legt die grundlegenden Schwächen der globalen Zivilisation schonungslos offen. Sie führt uns die vielen gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten schmerzhaft vor Augen, die vorher bewusst verheimlicht, verharmlost und verdrängt wurden.

Gerade im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ offenbart die Corona-Pandemie mehr denn je die zunehmenden Defizite. Der Virus kann sich dort u.a. auch deshalb so schnell ausbreiten, weil Millionen US-Bürger nicht krankenversichert sind. Viele, die durch die Krise ihren Job verlieren werden, kommen noch hinzu und wer nicht versichert ist, scheut wegen der in den USA besonders hohen Gesundheitskosten eher davor zurück sich behandeln zu lassen. Das alles erleichtert die Ausbreitung des Virus.

Hinzu kommt die schlechte soziale Absicherung großer Teile der Gesellschaft und die soziale Ungleichheit in dieser ganz offensichtlich doch nicht so klassenlosen Gesellschaft, die sich in den jüngsten Unruhen vehement Ausdruck verschafft. All dies zeichnet sich unter dem hohen Druck, den die Corona-Krise auf die Gesellschaft ausübt, ganz unverkennbar ab.

Aber auch hierzulande werden gesellschaftliche Missstände aufgedeckt, deren Behebung für die gesamte Menschheit allerhöchste Priorität haben muss. Mit dem Tönnies-Skandal hat der Corona-Virus eine skrupellose Maschinerie offen gelegt, die zuvor überaus effizient, unter der Motorhaube des Alltages verborgen, ihre blutige Arbeit verrichtet hat: Die industrielle Massentierhaltung.

Der aktuelle Skandal bei Deutschlands größtem Schlachtbetrieb für Schweine in Ostwestfalen zeigt einmal mehr: Billigfleisch basiert auf einer nie da gewesenen industriellen, halb-automatisierten Massenvernichtung von Tieren, wird unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen betrieben und hilft dem Corona-Virus bei der Verbreitung.

Die Entstehungsgeschichte dieser lebensverachtenden Maschine ist relativ schnell erzählt. In den Nachkriegsjahren der 50er und 60er Jahre hieß es, jeder solle sich gesund und anständig ernähren, Fleisch für jedermann sollte möglich sein. Das Fleisch durfte also nicht so teuer sein. Im Gegensatz zu den Hungerzeiten im Krieg war das natürlich schon eine beachtliche soziale Leistung gewesen, aber leider hat sich das Ganze im Laufe der Jahrzehnte mit zunehmender Technisierung und Globalisierung immer weiter pervertiert.

Heutzutage pferchen wir weltweit Milliarden von denkenden, fühlenden und mit uns eng verwandten Lebewesen in entsetzlich enge Ställe, um sie “just in time” zu töten. Ihr Leben ist von der Geburt bis zu ihrem Tod eine reine Qual. Mitten in dieser Krise hat der deutsche Bundesrat auch noch einer Novelle der Tierschutz-Nutztierverordnung zugestimmt, die dazu führt, dass die grausame Kastenstandhaltung von Zuchtsauen acht weitere Jahre stattfinden darf. Und das obwohl die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen diese Form der Tierhaltung ist. 

Wie kann das sein? Wie ist es möglich, dass wir nicht in der Lage sind auf diese Zustände vernünftig und konsequent zu reagieren?

Es gab schon vor dem Tönnies-Skandal viele Fleischskandale und auch die miserablen Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind keine Neuheit. Dennoch hat keiner dieser Skandale zu nachhaltigen Veränderungen geführt. Nachdem das Thema aus dem Fokus der Medien geraten ist, sind die Menschen wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt und haben im Supermarkt zum Billigfleisch gegriffen, auch wenn ganz tief in ihnen eine leise Stimme der Vernunft dagegen rebelliert hat. 

Dies zeigt uns einmal mehr, dass wir in einer Kultur der Quantität und nicht der Qualität leben. Fleisch muss immer und zu jederzeit erhältlich sein. Anstatt darauf zu achten, gutes Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen aber dafür auch mal Verzicht zu üben geht es in unserer Kultur nur darum, jederzeit Fleisch konsumieren zu können. Nur bei großen Mengen kann ein Preis realisiert werden, der eine dauerhafte Verfügbarkeit für jedermann ermöglicht. Die Qualität des Fleisches spielt dabei keine Rolle. 

Mehr (Fleisch) ist in jedem Fall besser. Und das wird uns in allen Bereichen der Gesellschaft vorgelebt. Die Ökonomen versuchen uns weiß zu machen, dass es ohne Wirtschaftswachstum nicht weitergehen kann, Fernreisen sind zur Normalität sogar für viele Schüler und Studierende geworden und jeder, der ein bisschen was auf sich hält, fährt einen riesigen SUV oder einen schnittigen Porsche. Mit diesen quantitativen Mustern und Gewohnheiten zu brechen stellt für die meisten Menschen eine unüberwindbare Herausforderung dar. Ihr gesamtes Denken und Handeln und ihre Stellung in der Gesellschaft ist rein auf quantitative Aspekte ausgelegt. Hier liegt die große Herausforderung. Wir als Gesellschaft aber auch jeder Einzelne sollten uns in allen Lebensbereichen weniger über Quantität als über Qualität Gedanken machen, denn weniger ist tatsächlich sehr oft mehr. 

Am Beispiel des Fleisch-Skandals lässt sich das für die gesamte Menschheit wunderbar zeigen:

Weniger Billigfleisch bedeutet mehr Umweltschutz: 

Massentierhaltung führt zu einem extrem hohen Wasserverbrauch. Das Wasser wird nicht direkt für die Tiere benötigt, sondern für den Anbau der Futterpflanzen, der im Übrigen auch noch sehr viel Platz beansprucht und zur Rodung von intakten Naturgebieten führt. Dies wiederum beschleunigt  das Artensterben und mindert so die Resilienz der Natur dauerhaft.

Weniger Billigfleisch bedeutet mehr Klimaschutz: 

Auch der Klimawandel wird durch die Massentierhaltung beeinflusst: Laut Umweltbundesamt stammten 2012 53 Prozent der gesamten Methan- und sogar 77 Prozent der Lachgas-Emissionen aus der Landwirtschaft. Diese Werte sind vor dem Hintergrund der globalen Gefahren des Klimawandels dringend zu reduzieren, doch leider steigt der weltweite Fleischbedarf noch immer an.

Weniger Billigfleisch bedeutet mehr Gesundheit:

In den letzten Monaten wurden wir alle mit einem – vermutlich zumindest für die meisten von uns – neuen Wort bekannt gemacht: „Zoonosen“. Dieses Wort ist “die Sammelbezeichnung für Infektionskrankheiten, die gleichermaßen bei Tieren und Menschen vorkommen und sowohl vom Tier auf den Menschen als auch vom Menschen auf Tiere übertragen werden können” und erklärt warum unser Hunger auf Fleisch immer wieder Pandemien auslöst. Die Massentierhaltung – egal ob sie nun in einer deutschen Fleischfabrik in Gütersloh oder auf einem chinesischen Tiermarkt in Wuhan stattfindet – sorgt dafür, dass wir in immer geringeren Abständen mit neuartigen und schwer kontrollierbaren Viren konfrontiert sein werden. 

Aber auch für jeden einzelnen Menschen würde ein Weniger an Fleisch eindeutig Mehr bedeuten:

Weniger Billigfleisch bedeutet mehr Gewissen:

Der israelische Geschichtsprofessor Yuval Noah Harari hat das Schicksal der industriell gezüchteten Tiere als eine der drängendsten ethischen Fragen unserer Zeit ausgemacht. Jahr für jahr schlachten wir Menschen Milliarden von fühlenden Wesen am Fließband –  jedes mit komplexen Empfindungen und Emotionen. Wie können wir Konsumenten nur mit dieser Schuld leben?

Weniger Billigfleisch bedeutet mehr Gesundheit:

Es weisen immer mehr Studien darauf hin, dass ein reduzierter Fleischkonsum gesünder ist. Zwar wird nicht jeder Mensch krank, der viel Fleisch isst, aber viele Krankheitsbilder werden durch hohen Fleischkonsum mit verursacht oder verschlimmert. Dieser Wirkungszusammenhang ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich aber zumindest diejenigen unter den Fleischliebhabern, die unter Darmkrebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Niereninsuffizienz, chronische Entzündungen, Arthrose oder Rheuma leiden, könnten ihrer Gesundheit vermutlich recht einfach und schnell etwas Gutes tun, wenn sie weniger Fleisch konsumieren würden.

Weniger Billigfleisch bedeutet mehr Genuss:

Tierwohl und Fleischqualität gehen Hand in Hand. Je höher das eine umso besser das andere. Kein Gourmet dieser Welt würde Fleisch aus industrieller Massentierhaltung konsumieren, kein Sternekoch würde es seinen Kunden anbieten. Warum sollte man also selbst hier Abstriche machen?

Es gibt wahrscheinlich noch viele weitere gute Argumente, die zeigen, dass ein “Weniger” von Billigfleisch ein “Mehr” an Lebensqualität bedeutet. Es ging hier aber auch gar nicht um Vollständigkeit, sondern um Anschaulichkeit. Wir sollten dringend auch in anderen Bereichen aufhören, in qualitativen Dimensionen des Schneller, Höher, Weiter und Mehr zu denken und uns dafür wieder mehr auf unsere eigenen persönlichen Bedürfnisse konzentrieren und herausfinden, welche Qualitäten im Leben für uns als Einzelpersonen und als Gesellschaft wichtig sind. 

Dann werden auch die Ökonomen uns nicht mehr davon überzeugen können, dass es ohne quantitatives Wachstum keine Zukunft geben kann.

Daniel K., München

QUELLEN:

https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2021/kastenstand-haltung-fuer-weitere-acht-jahre-erlaubt/

https://www.spiegel.de/wirtschaft/bundesrats-beschluss-zur-schweinehaltung-arme-saeue-a-5c8cc624-8ac4-46f2-b958-c185cdbc2b7a

https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/landwirtschaft-fischerei/tierhaltung-fleischkonsum/tierhaltung-fleisch.html

http://www.fao.org/3/ca4526en/ca4526en.pdf

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fleischproduktion-in-deutschland-was-sie-ueber-massentierhaltung-wissen-sollten-1.1899021

https://www.theguardian.com/books/2015/sep/25/industrial-farming-one-worst-crimes-history-ethical-question

https://www.wattpad.com/760117776-tierhaltung-zust%C3%A4nde-wie-im-kz-moderne-tierhaltung/page/2

bookmark_borderÜber die CHANCEN in der KRISE.

Als ich den letzten Beitrag veröffentlicht habe, war die Welt noch eine andere. Dann kam das Corona-Virus nach Europa. Seitdem ist nichts mehr so wie es war. Obwohl das Virus schon im Dezember 2019 in der chinesischen Millionenstadt Wuhan ausgebrochen ist und seither in China gewütet hat, kam es für uns dann doch recht überraschend. Es ist schon interessant, wie sehr man eine Gefahr unterschätzen kann, die in fernen Ländern bereits viele Tote gefordert und zu drastischen Maßnahmen geführt hat, aber zunächst einmal keinen unmittelbaren Einfluss auf den eigenen Alltag hatte. Wir haben es geschafft, sie solange zu verdrängen, bis wir unmittelbar betroffen waren.

Und plötzlich, von einem Tag auf den anderen, hat das Virus uns fest im Griff. Die Wirtschaft wurde soweit runtergefahren, wie ich es mir in den kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können.

Am Anfang war ich mir der Tragweite dieser Veränderungen überhaupt nicht bewusst aber mit der Zeit sehe ich etwas klarer. Ich denke, dass es nun eine Zeit vor dem Corona-Virus und eine danach geben wird, insbesondere was unsere Konsumgewohnheiten angeht. Mein letzter Beitrag stammte noch aus der Zeit davor, dieser hier entsteht mitten in der Krise. Noch immer hat sich der Staub nicht gelegt und die Sicht auf die Zukunft ist äußerst verschwommen, dennoch ist klar, dass etwas Weltbewegendes geschehen ist, das unser aller Leben jetzt schon nachhaltig verändert hat und noch weiter verändern wird.

Unsere Reaktion als solche – auch wenn sie verspätet und in vielerlei Hinsicht sicher auch nicht fehlerfrei war – gibt aber Anlass, stolz auf unsere Gesellschaft zu sein. Ich denke, dass ein solches Verhalten einmalig in der Geschichte der Menschheit ist. Wir haben entschlossen und gemeinschaftlich reagiert, um unsere Schwächsten – die Alten und Kranken – zu schützen und dabei große wirtschaftliche Verluste und Risiken bewusst in Kauf genommen. Bis zu diesem Ereignis war ich felsenfest davon überzeugt, dass die Politik nur eine Marionette in den Händen der Wirtschaft ist aber ich wurde eines Besseren belehrt. Das stimmt mich zuversichtlich.

Wir befinden uns seither in einem historischen Ausnahmezustand: Um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, wurden große Teile der weltweiten Produktion heruntergefahren, der Handel eingeschränkt, Schulen, Kitas und Geschäfte geschlossen und Reisen und soziale Kontakte auf ein Minimum beschränkt. Die Folgen dieses Ausnahmezustandes sind vielfältig:

Für die Umwelt sind sie durchaus positiv: Die NASA veröffentlicht Bilder auf denen der glasklare Himmel über China zu sehen ist und Deutschland wird allen Voraussagen zum Trotz bis Ende des Jahres sein Klimaziel erreichen. Was Klimaforschern mit ihren Appellen an die Politik über Jahrzehnte kaum gelungen ist, das schaffte das Corona-Virus in wenigen Tagen.

Für uns Menschen scheinen auf den ersten Blick jedoch die Nachteile des Shutdowns zu überwiegen. Viele wurden dadurch arbeits- oder auftragslos, während andere die Herkulesaufgabe bewältigen müssen, ihr Land am Laufen zu halten. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass gerade schlecht bezahlte und wenig angesehene Jobs wie Pflegeberufe, die Müllabfuhr oder auch Paketzusteller besonders wichtig für die Aufrechterhaltung des Alltages sind. Mit zunehmender Dringlichkeit diskutieren wir jetzt die Frage, wie lange wir diesen Ausnahmezustand noch aushalten müssen, bzw. können.

Aus medizinischer Sicht ist die Antwort auf diese Frage mittlerweile recht eindeutig:  Der Ausnahmezustand muss so lange aufrechterhalten werden bis ein Impfstoff entwickelt wurde und dieser in solchen Mengen bereitgestellt werden kann, dass die gesamte Weltbevölkerung immunisiert werden kann. Denkbar wäre natürlich auch Medikament, das man den Erkrankten geben kann, um den Heilungsverlauf zu verkürzen und somit die Intensivstationen zu entlasten. In beiden Fällen muss man mit einem Entwicklungszeitraum von mindestens ein bis zwei Jahren rechnen. Die Alternative einer sogenannten “Herdenimmunität”, in der große Teile der Gesellschaft bereits infiziert waren und anschließend immun sind, erreichen wir nicht, ohne unser Gesundheitssystem komplett zu überlasten und somit Millionen von Toten in Kauf zu nehmen.

Vor diesem Hintergrund gehen große Teile der Bevölkerung aktuell davon aus, dass die globale Wirtschaft durch die Corona-Virus-Krise in eine schwere Rezession stürzen wird. Entsprechend niedrig ist die Anschaffungsneigung der Verbraucher. Aus Angst und Unsicherheit über die weiteren Entwicklungen beschränken sich die meisten in ihrem Konsumverhalten auf das absolut Nötigste.

Aber es gibt auch noch eine andere Erklärung, mit sich der Konsumrückgang zumindest in Teilen erklären lässt: Das zugegebener Weise erzwungene Erlebnis vieler Verbraucher, wie es sich anfühlt, wenn die Welt um einen herum auf das Nötigste reduziert wird oder wie „Die ZEIT“ es in dem Artikel „Brauch‘ ich das?“ vom 1. Mai so schön und treffend formuliert (1):

„Das Kaufen unnötiger Gegenstände war ja von jeher ein mystischer Akt und deshalb auch etwas fragil, kein natürlicher Impuls, sondern ein produziertes Bedürfnis, eigentlich nur möglich, solange es eben alle anderen auch taten und solange man nicht groß darüber nachdachte. Oder das Denken der Werbung überließ, die zwar jeweils nur zu einem Produkt verführen will, in der Summe aber fürs Konsumieren als solches wirbt, die täglich, sekündlich einen ökonomischen Phantomschmerz erzeugt. In dieser einzigartigen Krise tritt nun das Gemachte am Gewohnten hervor, man schaut sich gewissermaßen selbst ins Hirn. Und staunt.“

Mich erinnert diese Situation an eine Szene aus dem Animationsfilm „WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf“, in der die Menschen von einem kleinen Roboter aus einer Art medialen Koma erweckt werden und erstmals seit langen die echte Welt jenseits ihrer Monitore wieder entdecken und Gefallen an ihr finden.

Das Besondere an der aktuellen Situation ist, dass sie real passiert. Diesmal sind es nicht nur irgendwelche düsteren Zukunftsszenarien, vor denen uns grüne Aktivisten oder Klimaforscher warnen und dann auch noch massive Verhaltensänderung speziell in unserem Konsumverhalten von uns einfordern. Nein, diesmal ist es genau umgekehrt. Die Verhaltensänderung wurde von oben angeordnet. Mit einem Mal sind wir mitten drin. Wir erleben Sie mit all unseren Sinnen – 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche.

Natürlich sind die Einschnitte in unser Leben teilweise sehr drastisch und werden auch als sehr belastend empfunden. Aber das gilt nicht für alle Aspekte unseres neuen Lebens in der Corona-Krise. Einige dieser neuen Erfahrungen werden als durchaus angenehm und befreiend wahrgenommen. So sind z.B. Anwohner des Münchner Flughafens im Moment sehr glücklich über die neue Ruhe, die seit der Reduzierung des Flugverkehrs über ihren Dächern eingekehrt ist. Andere genießen die guten Luftwerte in der Münchner Innenstadt, die Ende März 2020 ähnliche Werte wie auf dem bayerischen Land vorweisen konnte. Auch die leeren Straßen werden von vielen als ein Zugewinn an Lebensqualität empfunden. Wieder andere erfreuen sich an Delphinen in der kristallklaren Bucht von Palma oder dem Anblick spektakulärer Bergketten, der den Bewohnern vieler indischer Dörfer zu Füßen des Himalayas aufgrund der Luftverschmutzung in den letzten 20 Jahren verwehrt geblieben ist.

All diese Erlebnisse wären ohne die Corona-Krise undenkbar gewesen und sie werden über die Krise hinaus in den Köpfen der Menschen nachwirken. Plötzlich ist eine autofreie Innenstadt nicht mehr unmöglich sondern ein durchaus realistisches Szenario. Zurückkehrende Luftverschmutzung nach der Krise wird von einigen Bewohnern Indiens, Italiens oder auch Münchens vermutlich sehr bewusst und negativ wahrgenommen werden, weil sie in der Krise erstmals eine Welt ohne erleben durften.

Dieses „Erleben“ von Veränderung ist das Besondere an der Krise und wird sicher dazu führen, das viele Menschen in der Zeit nach Corona nicht wieder 1:1 in ihre alten Konsumgewohnheiten zurückfallen werden.  Schlicht und einfach weil sie Gefallen an dem „Weniger“ gefunden haben. Eine aktuelle Umfrage von Accenture (2), die unter mehr als 3.000 Verbrauchern in 15 Ländern auf fünf Kontinenten durchgeführt wurde, stützt diese These. Demnach veranlasst die Krise die Verbraucher dazu, die Auswirkungen ihrer Kaufentscheidungen auf Gesundheit und Umwelt ernster zu nehmen.

Unterm Strich wird sowohl der aus Unsicherheit und Angst resultierende Konsumrückgang als auch das aufgrund des Erlebten veränderte Konsumverhalten zu einem massiven globalen Wirtschaftseinbruch führen.

Genauso werden vermutlich auch Unternehmen ihre Strategien vor dem Hintergrund des Erlebten nachhaltig anpassen. Zum einen werden Sie wahrscheinlich weniger Dienstreisen unternehmen, weil sie in der Krise plötzlich gezwungen waren, digitale Kommunikations-Tools zu verwenden und dabei zu ihrem Erstaunen festgestellt haben, dass sie eine echte Alternative zu teuren Dienstreisen sind. Dies wird wiederum zu weiteren, langfristigen Umsatzeinbußen in der Reisebranche führen.

Zum anderen hat die Corona-Krise den Unternehmen die Gefahren von langen, fein gegliederten Lieferketten deutlich vor Augen geführt. Sie führen zu einer hohen Intransparenz und Abhängigkeit von fremden Regionen, die sich im Krisenfall natürlich erst einmal selbst am nächsten stehen. Eine Sicherung durch Rückführung gewisser Teile der Produktion wird daher wohl alternativlos sein. Die daraus resultierenden Kostensteigerungen werden den allgemeinen Konsumrückgang dann nur noch weiter verstärken.

Wir könnten im Jahr 2019 also Augenzeugen des Konsums- und Globalisierungs-Peaks gewesen sein. Wir haben es in den letzten Jahren und Jahrzehnten insgeheim doch alle schon geahnt: Es konnte mit dem Turbo-Kapitalismus so einfach nicht weitergehen. Eine Wirtschaft die auf unendlichem Wachstum basiert, kann in einer endlichen Welt nicht funktionieren. Wir sind bis in den letzten Winkel der Erde vorgedrungen und haben uns jede erdenkliche Ressource ohne Rücksicht auf soziale Gerechtigkeit oder Naturschutz einverleibt. Nicht nur die Menschen in der dritten Welt wurden bis aufs Äußerste ausgebeutet, auch die Menschen in der westlichen Welt wurden instrumentalisiert. Sie wurden zu Konsum-Automaten umfunktioniert, deren Aufmerksamkeit die letzte Ressource in diesem Eroberungsfeldzug war, die insbesondere von Firmen aus dem Silicon Valley gnadenlos ausgeschlachtet wurde. Es ging uns dabei wie dem Frosch im Wasserglas, das ganz langsam erhitzt wird. Die graduellen Veränderungen haben keine Änderungen in unserem Verhalten auslösen können. Erst als wir mit der Krise bildlich gesprochen in das kochende Wasser geschmissen wurden, waren Veränderungen möglich. Von einem Tag auf den anderen.

Die nun einsetzende globale Rezession wird die Regierungen, Unternehmen und Konsumenten weltweit vor große Herausforderungen stellen aber bietet gleichzeitig die Chance für einen langfristigen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Die Corona-Krise hat unsere Schwachstellen schonungslos aufgedeckt und kann uns gerade deshalb als sicherer Wegweiser für den Wandel dienen.

Sie hat uns z.B. sehr anschaulich gezeigt, dass durch intensive Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft vieles möglich ist, um die drohenden Gefahren für die Menschheit abzuwenden. Meine Hoffnung ist, dass wir zukünftig auch bei anderen Themen auf Experten und Wissenschaftler hören werden, die andere Kurven flach halten wollen, wie z.B den Klimawandel oder das Artensterben, und nicht erst warten bis uns die nächste Katastrophe „überrascht“. Genauso hat die Krise das Missverhältnis zwischen Einkommen und gesellschaftlicher Wertschöpfung vieler Berufsgruppen offen gelegt (3). Wir könnten also auch mal über Steuerreformen nachdenken, die die Beziehung zwischen dem Einkommen und dem Wert berücksichtigen, den die entsprechende Arbeit für die Gesellschaft erzeugt.

Dies sind nur zwei Beispiele und ich denke, dass durch eine gründliche Aufbereitung der Corona-Krise viele weitere gute und zeitgemäße Ansätze für eine Reorganisation des Systems hin zu einer höheren gesellschaftliche und ökologischen „Resilienz“ identifiziert werden können.

Daniel K., München

QUELLEN:

  1. DIE ZEIT, MAI 01, 2020 (Brauch‘ ich das?, https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-05/konsum-kapitalismus-coronavirus-wirtschaftskrise-globalisierung)
  2. ACCENTURE, APRIL 28, 2020 (COVID-19 will permanently change consumer behavior, https://www.accenture.com/us-en/insights/consumer-goods-services/coronavirus-consumer-behavior-research)
  3. NEW ECONOMICS FOUNDATION, DEZEMBER 14, 2009 (A BIT RICH – Calculating the real value to society of different professions, https://neweconomics.org/2009/12/a-bit-rich)

bookmark_borderÜber die FREIHEIT

Wir Deutschen können uns so herrlich über die Waffen-Vernarrtheit der Amerikaner aufregen. Wie kann man auf sein Recht bestehen, halb-automatische Maschinengewehre unter seinem Kopfkissen zu stapeln, wenn doch immer wieder – und gerade auch in den USA – so schlimme Amokläufe geschehen, bei denen Dutzende von Menschen von einer durchgeknallten, bis zu den Zähnen bewaffneten (meist männlichen) Person regelrecht exekutiert werden? Wieso sind die Amerikaner so immun gegen all die guten Argumente für ein Waffenverbot, die uns Deutschen so logisch erscheinen? Was ist nur los mit den Amis? Die Lösung wäre doch so simpel: Einfach keine Waffen mehr an der Supermarktkasse verkaufen!

Was bei der ganzen Sache aber wirklich interessant ist, ist der tiefe Einblick, den es in die menschliche Psyche gewährt: Dinge, die wir nicht verstehen, verteufeln wir fast schon reflexartig und mit ihnen all die Menschen, denen diese Dinge wichtig sind. Man baut sich in wenigen Sekunden ein Feindbild auf, das sich dann oft ein Leben lang hält.

Dabei ist man seinem eigenen Feindbild oft leider viel ähnlicher als einem lieb ist. Denn das was den Amerikanern ihre Waffen sind, ist den Deutschen ihr heiß geliebtes Auto. Unterm Strich ist das Auto aber vermutlich noch vielfach schlimmer als sein amerikanisches Pendant: Bevor es überhaupt erst genutzt, bzw. gefahren werden kann müssen große Teile des Landes komplett zubetoniert und versiegelt werden. Mit wachsenden Zulassungszahlen und Fahrzeuggrößen steigt dieser Flächenverbrauch jedes Jahr weiter an. Der Ressourcenverbrauch bei der Autoherstellung ist, ungeachtet der Antriebstechnik, grundsätzlich extrem hoch und übersteigt den von Waffen um ein Vielfaches. Hinzu kommt die starke Umweltbelastung durch CO2- und Schadstoff-Emissionen aus dem Betrieb der Fahrzeuge, der zudem auch noch jährlich tausende Verkehrstote zur Folge hat und unsere Innenstädte zu zugestellten Parkplätzen verkommen lässt.

Wie kann es also sein, dass die Amerikaner und die Deutschen Produkte derart vergöttern, die einen so schlechten Einfluss auf das Gesamtwohl der Bevölkerung haben? Um das zu verstehen muss man ein bisschen weiter ausholen. Es geht um persönliche Freiheiten. Beide Länder sind kapitalistische Demokratien, in denen vor allem zwei Dinge im Mittelpunkt stehen: Geld und Freiheit. Da Ersteres ja bekanntlich und zunehmend ungleich verteilt ist, klammern sich weite Teile der Bevölkerung umso heftiger an ihre vermeintlichen Freiheiten und reagieren mit großer Aggression wenn man ihnen diese letzte Bastion auch noch beschneiden will.

Während die Eliten an der Ost- und Westküste der USA dem Thema Waffenverbot recht offen gegenüberstehen, sind es gerade die ärmeren Landesteile in der Mitte, die sich am meisten für ihre Freiheit einsetzen, Waffen besitzen zu dürfen. Für sie ist es seit den Zeiten der Siedlertrecks Richtung Westen ein naturgegebenes Grundrecht, das man sich als Amerikaner mit einer Waffe selbst verteidigen darf, ja sogar muss, weil man sich auf den Staat in dieser Wildnis ja nicht verlassen kann. Diese aus der Zeit gefallene Argumentation und hoch-emotionale Beziehung zu den Waffen wird von der Waffenlobby natürlich mit allen Mitteln genährt. Und mit einer so großen Wählergruppe hinter sich versammelt, kann diese Lobby in  Washington so ziemlich alles durchsetzen, was sie will.

In Deutschland gibt es, wie gesagt, einen ganz ähnlichen, sich genauso selbst verstärkenden Teufelskreis. Dieser dreht sich halt nur nicht um Waffen, sondern um Autos. Auch wir verknüpfen mit dem Auto eine Form von persönlicher Freiheit, auf die wir nicht mehr verzichten wollen. Es geht sogar so weit, dass eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung oder Führerscheinprüfungen im Alter als Freiheitsberaubung empfunden werden. Und das obwohl Raserei und Fahruntauglichkeit zu den häufigsten Unfallursachen gehören und zu den schlimmsten Unfällen führen. Und auch hierzulande wird diese „Freiheit“ von der Automobil-Lobby kultiviert und auf politischer Ebene für ihre Zwecke ausgeschlachtet. Wie sonst kann das zögerliche Verhalten der Regierung und ihrer Ämter beim Diesel-Skandal oder ein Erlass wie die Verschrottungsprämie erklärt werden? Wie kann die Regierung Steuergelder dafür ausgeben, voll funktionsfähige Autos verschrotten zu lassen, in die so viele Arbeitsstunden und Materialien aus der ganzen Welt geflossen sind? Ganz einfach: Es ist ein Geschenk der Politik an die Automobilindustrie. Für die ist es ja wie Weihnachten und Geburtstag zusammen, wenn ihre Kunden Geld dafür bekommen, ihr altes Produkt zu entsorgen und sich dafür ein Neues bei ihnen kaufen dürfen.

Zusammenfassend ist der Mechanismus im Hintergrund also Folgender: In unseren westlichen Gesellschaften sind zwei Dinge von zentraler Bedeutung: Geld und Freiheit. Geld wird aber immer ungleicher verteilt, weswegen sich alle an Ihre Freiheiten klammern und sie vehement verteidigen. Diese reflexartigen, stark emotionalen Reaktionen weiter Bevölkerungsteile machen sich Vertreter großer Branchen wie der Waffen-, Automobil- oder Lebensmittel-Branche zu Nutze, um auf politischer Ebene für ihre Branche Einfluss zu nehmen.

Ein schönes Beispiel aus einer anderen Branche ist der Vorschlag der Grünen, in Kantinen einen „Veggie Day“ pro Woche einzuführen, der von Seiten der Wirtschaft und gegnerischen Parteien als erster ein Schritt in Richtung „Ökodiktatur“ verunglimpft wurde. In Diktaturen haben persönliche Freiheitsrechte ja bekanntlich keine allzu große Bedeutung.

Bildlich gesprochen ist es wie mit einem Hund, dem man den Knochen wegnehmen möchte. Er knurrt selbst sein geliebtes Herrchen oder Frauchen an und das mit einer Aggression, die der Halter sonst noch nie bei seinem Hund gesehen hat. Es handelt sich dabei um eine Instinkt-Reaktion, die vollautomatisch abläuft. Man könnte versuchen, dem Hund freundlich und sachlich zu erklären, dass er morgen ein Filet-Steak bekommt, wenn er jetzt den Knochen rausrückt aber ein solches Unterfangen wäre natürlich zum Scheitern verurteilt. Auf dieser Verhaltensebene ist weder der Hund noch der Mensch für gute Argumente zugänglich. Auch wir Menschen haben noch immer viele dieser „animalischen“ Verhaltensweisen tief in uns. Und zwar jeder von uns und genau das ist die Schwachstelle, an der sich Demokratie von Wirtschaftslobbyisten aushebeln läßt. Da es für sie recht einfach ist, große Wählergruppen auf ihrem gemeinsamen „animalisch-instinktiven Nenner“ hinter sich zu vereinen, können sie Politiker nach ihrem Belieben steuern. Mit der Konsequenz, dass die Bürger immer nur den Knochen bekommen werden und nie das Filet-Steak, das auch im Bereich des Möglichen läge, allerdings nur mit deutlich mehr Vernunft zu bekommen wäre.

Dabei wäre die Lösung – zumindest in Bezug auf unser Auto-Problem – rein rational betrachtet doch so einfach: Ein vollständiges Produktionsverbot von Autos. Es gibt ja schließlich mehr als genug. Man müsste einfach nur ihre Nutzungsdauer drastisch verlängern.

Das hört sich auf den ersten Blick sehr dramatisch und irgendwie realitätsfern an, aber das liegt eher an mangelndem Vorstellungsvermögen als an fehlender Durchführbarkeit. Man muss nur über den Tellerrand schauen, bzw. nach Kuba, wo kurz nach der Revolution Ende der 50er Jahre der freie Autohandel weitgehend verboten wurde. Mit der Folge, dass dort sogar heute noch zahlreiche Autos aus den 50er und 60er Jahren auf den Straßen unterwegs sind, deren durstigen und rußigen Dieselmotoren vermutlich jede Emissionsgrenze sprengen. Dennoch vermute ich, dass die Öko-Bilanz eines dieser Fahrzeuge über den gesamten Zeitraum sogar trotz des hohen Verbrauchs besser ist als die Bilanz der Gesamtheit aller sich abwechselnder Fahrzeuge eines imaginären Besitzers in Deutschland über denselben Zeitraum. Der Grund sind die Ressourcen die in jedes einzelne Fahrzeug hinein geflossen sind sowie der von Fahrzeuggeneration zu Fahrzeuggeneration wachsende Ressourcenbedarf und zunehmende globale Vernetzungsgrad in der Produktion. Dies gilt natürlich auch für Elektrofahrzeuge. Die Öko-Bilanz heutiger Fahrzeuge ist also schon extrem negativ, bevor sie überhaupt einen Meter gefahren wurden.

Hinzu kommt, dass viele Kosten für uns kaum greifbar und nur deshalb so gering sind, weil die benötigten Rohstoffe oftmals unter katastrophalen menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Bedingungen in fernen Ländern abgebaut werden. Die Kosten werden externalisiert, wie es so schön heißt. Sprich dorthin verschoben, wo sie extrem niedrig sind weil es dort noch keine Gesetze für den Umgang mit Mensch und Natur gibt oder diese einfach übergangen werden können.

Warum also nehmen wir uns nicht ein Vorbild an Kuba und hören einfach auf, Autos zu produzieren? Ist doch klar: Wegen der Arbeitsplätze! Uns in Deutschland wir permanent eingetrichtert, dass die Automobilindustrie uns alle am Leben hält. Ohne sie wären wir alle arbeitslos und hätten als Land keine Chance mehr im internationalen darwinschen Verdrängungskampf. Wer diese Fehlinformation streut und die Politiker entsprechend instruiert dürfte ja mittlerweile klar sein: Es ist Automobilindustrie höchst selbst. Sie weigert sich nun schon seit mehreren Jahrzehnten echte Innovation zu betreiben und will stattdessen kurzfristige Gewinne einfahren, indem es immer neue SUV-Flotten auf den Markt bringt.

Und mit Innovation meine ich nicht Elektroantrieb oder Drohnen-Taxis. Ich meine das Geschäftsmodell einer ganzen Branche von Grund auf neu zu erfinden. Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass die Automobilindustrie anstatt immer neue Autos zu produzieren die Produktion komplett einstellt und ein flächendeckendes Service-Netz anbietet, das die Wartung und Instandhaltung der bereits produzierten Fahrzeuge für die nächsten 30 Jahre gewährleistet. Die neueste Fahrzeuggeneration hat doch nun wirklich alles was man zum komfortablen Reisen braucht und ist im Gegensatz zu den Kuba-Schlitten auch noch recht verbrauchs- und emissionsarm. Die Arbeitsplätze in den Service-Werkstätten wären dann flächendeckend über ganz Deutschland verteilt und nicht nur rund um die Hochburgen der Automobilindustrie angesiedelt.

Gleiches könnte ich mir auch für die Textilindustrie und vermutlich noch viele andere Branchen vorstellen. Statt unter vollkommener Missachtung und Ausblendung ihrer sozialen und ökologischen Folgen an der Durchflusswirtschaft festzuhalten und immer neue Produkte für die Mülltonne zu produzieren – und der Weg dorthin über die Zwischenstation Konsument wird von Produktgeneration zu Produktgeneration kürzer – sollten sie ihre Geschäftsmodelle rund um den möglichst langen Erhalt ihrer Güter neu erfinden. Dann müsste man nicht mehr den Verkauf von „Einheiten“ maximieren, sondern den von „Nutzungseinheiten“ je Einheit.

Leider erscheint aber auch mir ein solch tiefgreifender Wandel sehr unrealistisch, insbesondere so lange die Wirtschaft die Politik so klar mitbestimmen kann. Daher bleibt wieder einmal nur die Frage, was man selbst tun kann, um zumindest in seiner eigenen kleinen Welt einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten?

In Bezug auf das Auto könnte man z.B. von sich aus einfach ganz darauf verzichten oder zumindest seinen Mobilitätsbedarf von Grund auf hinterfragen. Für welche Fahrten brauche ich zwingend ein Auto? Welche Fahrten sind vielleicht sogar überflüssig und gibt es in den Situationen, in denen man unbedingt von A nach B muss, nicht auch gute Alternativen zum Auto?

Meine Frau und ich haben jetzt seit einem Jahr kein eigenes Auto mehr. Es war bei uns allerdings weniger eine ökologische Vernunftsentscheidung, das Auto abzugeben, als eine unangenehme Notwendigkeit, da der Wagen in einem so schlechten Zustand war, dass er es nicht mehr über den TÜV geschafft hätte.

Um den Wagen wieder in einen Zulassungs-fähigen Zustand zu versetzen, wären einige tausend Euro fällig gewesen, wozu ich grundsätzlich schon bereit gewesen wäre, weil ich den Erhalt von Fahrzeugen, wie oben ausführlich beschrieben, als wesentlich sinnvoller erachte als den Neukauf. Ausschlaggebend für den Verkauf war aber schlussendlich die Tatsache, dass es sich bei dem Wagen um einen sehr altes Dieselfahrzeug gehandelt hat, mit dem ich schon vor einem Jahr nicht mehr in den Innenstadtbereich Münchens fahren durfte. Ich hätte neben den eh schon zahlreichen Mängeln also auch die Abgasanlage für viel Geld modernisieren lassen müssen – die Kosten für den laufenden Betrieb einmal ganz außer Acht gelassen.

Wir haben uns schlussendlich dazu entschieden, es einmal ohne Auto auszuprobieren. Als Ehepaar ohne Kinder, das in einer Großstadt lebt, sollte das ja durchaus machbar sein.  Im letzten Jahr hatten wir also viel Zeit und viele Gelegenheiten, die verschiedensten am Markt befindlichen Mobilitätsangebote auszuprobieren. Wir sind mit Langstreckenbussen gereist, haben Mietwägen geliehen, Car-Sharing-Angebote genutzt, sind mit der Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren oder schlichtweg einfach geradelt oder zu Fuß gegangen.

Die Bilanz ist nach einem Jahr durchaus positiv, sowohl finanziell als auch emotional. Unsere Ausgaben für Mobilität waren im letzten Jahr ganz klar geringer als die Kosten, die für Reparatur, Unterhalt und Betrieb eines eigenen Autos in demselben Zeitraum zusammen gekommen wären. Natürlich gab es auch viele Momente in denen wir lieber mit dem eigenen Auto unterwegs gewesen wären, einfach weil es bequemer gewesen wäre, aber genauso gab es auch viele Momente in denen wir froh waren, dass wir keinerlei Verpflichtungen (Instandhaltung, Versicherung, Steuer, etc.) und Stress (Parken, Schäden, Reifenwechsel, etc.) mehr hatten und das ganze Thema komplett aus unserem Leben entfernt haben. Es hat etwas sehr Befreiendes, sich von seinem Auto zu trennen. Befreiend im Sinne echter Freiheit.

Daniel K., München

bookmark_borderÜber MICH

Wer bin ich eigentlich, dass ich hier so großspurig über die Fehler der Gesellschaft berichte und es mir rausnehme, darüber zu urteilen?

Die Antwort ist einfach: Ich bin wie alle anderen und genau wie alle anderen bin ich extrem schizophren. Ich versuche das zwar meist zu verdrängen und das gelingt mir erstaunlich oft und gut aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich von Grund auf schizophren bin.

Offiziellen Schätzungen zufolge leidet in Deutschland nur eine verschwindend kleine Minderheit unter Schizophrenie aber ich gehe davon aus, dass es die ganz große Mehrheit ist. Diese Form der Schizophrenie, von der ich hier spreche, ist keine seltene Krankheit, die aus unerfindlichen Gründen bei dem einen oder anderen Pechvogel unter uns ausbricht. Ganz im Gegenteil: Sie ist vielmehr eine natürliche Reaktion unseres heranwachsenden und sich dauerhaft weiterentwickelnden Gehirns auf die von uns geschaffene künstliche Umwelt. Und damit betrifft sie jeden „Gehirnträger“ unter uns.

Wieso ist das so? Weil es heutzutage ein klarer evolutionärer Vorteil ist „schizo-kompetent“ zu sein, denn das Gravitationszentrum der von uns geschaffenen Umwelt ist das Geld. Gefühlt kommt unsere Gesellschaft diesem schwarzen Loch immer näher. Wir alle rotieren immer schneller um das Zentrum und verlieren dabei unsere gesellschaftliche Atmosphäre aus Werten und Regeln. Diese gesellschaftlichen Errungenschaften werden durch das Geld solange erodiert bis wir wahrscheinlich ganz darin verschwinden.

Es dreht sich also zunehmend ums Geld und jeder, der damit in Berührung kommt – also a) Geld verdient und b) es wieder ausgibt – wird in seinen täglichen Handlungen und Entscheidungen heutzutage geradezu zur Schizophrenie genötigt. Allein die Tatsache in das kapitalistische System eingebunden zu sein, führt bei uns allen also zwangsläufig zu einer massiven Schizophrenie.

a) Um Geld zu verdienen ist Schizophrenie eindeutig ein Vorteil.

Nicht jeder von uns verdient sein Geld in Berufen, wie der Müllabfuhr, der Polizei oder der Krankenpflege, die der Gesellschaft einen echten und unmittelbaren Mehrwert bringen. Viele arbeiten –  am anderen Ende des Extrems – für internationale Konzerne, Beratungen oder Banken, die der Gesellschaft und Umwelt eher schaden. Dennoch stecken Sie eine Menge Zeit und Energie in Ihre Jobs und erfreuen sich an ihren Erfolgen. Überspitzt kann man sagen, dass Menschen aus diesen Berufsfeldern wirklich hart an der Zerstörung ihrer eigenen Sicherheit und Lebensgrundlage – oder zumindest derer ihrer Mitmenschen, Kinder und Kindeskinder – arbeiten. Dies ist nur möglich, wenn man in der Lage ist, die Zusammenhänge zwischen dem eigenen Handeln und den indirekten Konsequenzen komplett auszublenden oder zumindest nicht zu hinterfragen. Ohne eine gehörige Portion Schizo-Kompetenz geht das nicht.

Als wäre das noch nicht schlimm genug, kommt noch ein zweiter Mechanismus hinzu, der die Beschleunigung der um sich greifenden Zerstörung noch mal zusätzlich befeuert: Der Ego-Booster!

Es sind nämlich gerade die bestbezahlten und angesehensten Jobs, die der Gesellschaft am meisten schaden. Auf einer Party bewundert jeder den McKinsey Partner für seine Schläue und Eloquenz und hängt an seinen Worten, während man mit der Krankenpflegerin lieber über das Wetter als über ihren Job spricht.  Leider sind dabei diejenigen, die die Konsequenzen ihrer Arbeit am besten ausblenden können, in diesen Jobs auch noch die erfolgreichsten. Durch diesen unterschwelligen und permanent ablaufenden Auswahlprozess sammelt sich dann unglücklicherweise ein ganz spezieller Menschentyp an den Hebeln der Macht an, den man vor dem Hintergrund des Allgemeinwohls und des Umweltschutzes dort eigentlich am wenigsten gerne dort sähe. Donald Trump lässt grüßen…

Ich selber kann mich von dieser Form der Schizophrenie auch nicht freisprechen. Ich arbeite in einer Digital-Agentur, die auf Kundenwunsch Handy-Apps aller Art produziert obwohl ich der Digitalisierung inzwischen äußerst kritisch gegenüber stehe. Nebenbei habe ich einen Toilettenhocker entwickelt und verkaufe ihn in die ganze Welt. Bei der Produktentwicklung haben wir schon einige wichtige Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt aber unterm Strich ist dabei auch nur ein weiteres Produkt entstanden, dessen Ziel und Zweck es ist, in möglichst hoher Stückzahl verkauft zu werden, sprich Geld zu verdienen. Ich bin also auch recht schizo-kompetent wenn es ums Geldverdienen geht.

b) Um Geld wieder auszugeben ist Schizophrenie sogar eine Voraussetzung.

Nicht jeder von uns gibt sein Geld nur für Produkte aus, die so erdacht und hergestellt wurden, dass sie einen positiven Einfluss auf die soziale und natürliche Umwelt haben – falls es solche Produkte überhaupt gibt. Heutzutage schafft es nur ein schizo-kompetenter Konsument im Alltag über Menschenrechtsverletzungen, Tierquälereien und Umweltzerstörungen hinweg zu sehen, und dabei auch noch die Bedrohungen für seine eigene Gesundheit und die seiner Angehörigen zu ignorieren.

Man hört über Menschenrechtsverletzungen und Umweltsünden in der Textilbranche in fernen Ländern aber kauft seine Socken günstig bei H&M. Man sorgt sich über den Klimawandel aber fliegt mit einem Billigangebot für ein verlängertes Wochenende nach Mallorca, um einen Freund zu besuchen, der mit Frau und Kind dorthin ausgewandert ist und auf der Insel sein Glück sucht.  Man liest über die allmähliche Verfettung der Menschheit aber zieht sich nach dem Ausgehen noch schnell noch zwei Cheeseburger für 2 EUR bei McDonalds rein. Ich könnte jetzt hier noch ewig so weitermachen und bei den aufgeführten Beispielen müsste ich korrekterweise das „man“ durch ein „ich“ ersetzen, denn für all das und vieles mehr habe ich mein Geld ausgegeben, obwohl tief in mir eine Stimme ganz leise dagegen protestiert hat. Ich habe sie in den Momenten des Kaufes einfach (gekonnt) ignoriert.

Da diese Stimme in den letzten Jahren aber immer lauter wurde, habe ich mich entschlossen, diesen Blog zu schreiben. Ich bin nicht besser als die anderen und möchte mich nicht als Moral-Apostel aufspielen. Ich will in diesem Jahr einfach nur gelegentlich innehalten und aufschreiben, was dieser Stimme zu sagen hat.

Daniel K., München

bookmark_borderÜber OXYMORONS und TROJANISCHE PFERDE

„Weniger ist mehr“ ist laut Wikipedia „auf den ersten Blick eine paradoxe und unsinnige Aussage, denn ein Weniger kann nicht ein Mehr sein. Die Widersprüchlichkeit ist allerdings ein bewusst gesetzter Sinnfehler. In der Rhetorik wird eine solche Konstruktion als Oxymoron bezeichnet.“

Mit diesem Oxymoron will man vielmehr aussagen, dass ein Weniger BESSER ist als ein Mehr. Es geht also nicht um Quantität, sondern um Qualität:

  1. Weniger von etwas Gutem kann in speziellen Situationen besser sein, wie z.B. weniger Texte in einer Power-Point-Präsentation.
  2. Genauso ist aber auch ein Weniger von etwas Schlechtem besser, z.B. ist der Konsum von weniger Zigaretten für die Gesundheit besser als der von vielen.

Ich denke, dass der zweite Punkt für jeden vollkommen einleuchtend und nachvollziehbar ist. An dieser Stelle besteht also kaum Aufklärungs- oder Recherche-Bedarf, weshalb ich mich in meinem Blog mehrheitlich auf den ersten Punkt konzentrieren möchte.

Denn das vermeintlich „Gute“ wird uns von allen Seiten angeboten und angepriesen und ist ein ständiger Begleiter in unserem Leben. Genau darauf basiert ja schließlich unsere Konsumgesellschaft. In der jetzigen Form ist sie meiner Ansicht nach nicht mehr, als der permanente und sich dauernd wiederholende Versuch von Unternehmen, Bedürfnisse bei den Menschen zu identifizieren und zur Not auch zu erschaffen, um diese dann mit eigenen Produkten und Leistungen gegen Bezahlung von Geld oder Aufmerksamkeit, bzw. Daten zu befriedigen.

Das „Gute“ ist also allgegenwärtig und wird zu einer multi-dimensionalen Versuchung, der wir immer weniger entgegen zu setzen zu haben, da die „Produkt-Architekten“ auf Unternehmensseite sich immer tiefer in unsere Psyche „hacken“. Die Spirale dreht sich immer schneller und wir im „Westen“ – die vermeintlichen Profiteure der Globalisierung – werden immer mehr in die Rolle von Konsum-Sklaven gedrängt.

Wir haben es also mit einer Invasionsarmee von trojanischen Pferden zu tun, die uns ungefragt auf den Hof, den Teller oder den Screen gestellt werden.  In diesem Blog möchte ich so viele dieser trojanischen Pferde wie möglich enttarnen und dann ausführlich beschreiben, wie schön es ist, wenn man sie verbrennt.

Mehr dazu im nächsten Eintrag.

Daniel K, München

bookmark_borderÜber das MEHR hinter dem WENIGER.

Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Probleme, mit denen wir uns heutzutage als Individuen und als Gesellschaft konfrontiert sehen, mehr oder weniger direkt in unseren Konsumgewohnheiten begründet liegen.

In diesem Blog möchte ich diese Zusammenhänge an vielen verschiedenen Beispielen darstellen und für jedes Beispiel aufzeigen, wie ein Weniger an Konsum in dem jeweiligen Bereich ein Mehr an Lebensqualität in vielen anderen Lebensbereichen bedeuten kann.

Wie ein Alkoholkranker sollte jeder Einzelne von uns den Abschied vom Konsum nicht fürchten, sondern die wunderbare Zeit nach dem Entzug herbeisehnen.

Ich freue mich auf eine spannende Reise zum „Mehr“ hinter dem „Weniger“.

Daniel K., St. Johann in Tirol