Über MICH

Wer bin ich eigentlich, dass ich hier so großspurig über die Fehler der Gesellschaft berichte und es mir rausnehme, darüber zu urteilen?

Die Antwort ist einfach: Ich bin wie alle anderen und genau wie alle anderen bin ich extrem schizophren. Ich versuche das zwar meist zu verdrängen und das gelingt mir erstaunlich oft und gut aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich von Grund auf schizophren bin.

Offiziellen Schätzungen zufolge leidet in Deutschland nur eine verschwindend kleine Minderheit unter Schizophrenie aber ich gehe davon aus, dass es die ganz große Mehrheit ist. Diese Form der Schizophrenie, von der ich hier spreche, ist keine seltene Krankheit, die aus unerfindlichen Gründen bei dem einen oder anderen Pechvogel unter uns ausbricht. Ganz im Gegenteil: Sie ist vielmehr eine natürliche Reaktion unseres heranwachsenden und sich dauerhaft weiterentwickelnden Gehirns auf die von uns geschaffene künstliche Umwelt. Und damit betrifft sie jeden „Gehirnträger“ unter uns.

Wieso ist das so? Weil es heutzutage ein klarer evolutionärer Vorteil ist „schizo-kompetent“ zu sein, denn das Gravitationszentrum der von uns geschaffenen Umwelt ist das Geld. Gefühlt kommt unsere Gesellschaft diesem schwarzen Loch immer näher. Wir alle rotieren immer schneller um das Zentrum und verlieren dabei unsere gesellschaftliche Atmosphäre aus Werten und Regeln. Diese gesellschaftlichen Errungenschaften werden durch das Geld solange erodiert bis wir wahrscheinlich ganz darin verschwinden.

Es dreht sich also zunehmend ums Geld und jeder, der damit in Berührung kommt – also a) Geld verdient und b) es wieder ausgibt – wird in seinen täglichen Handlungen und Entscheidungen heutzutage geradezu zur Schizophrenie genötigt. Allein die Tatsache in das kapitalistische System eingebunden zu sein, führt bei uns allen also zwangsläufig zu einer massiven Schizophrenie.

a) Um Geld zu verdienen ist Schizophrenie eindeutig ein Vorteil.

Nicht jeder von uns verdient sein Geld in Berufen, wie der Müllabfuhr, der Polizei oder der Krankenpflege, die der Gesellschaft einen echten und unmittelbaren Mehrwert bringen. Viele arbeiten –  am anderen Ende des Extrems – für internationale Konzerne, Beratungen oder Banken, die der Gesellschaft und Umwelt eher schaden. Dennoch stecken Sie eine Menge Zeit und Energie in Ihre Jobs und erfreuen sich an ihren Erfolgen. Überspitzt kann man sagen, dass Menschen aus diesen Berufsfeldern wirklich hart an der Zerstörung ihrer eigenen Sicherheit und Lebensgrundlage – oder zumindest derer ihrer Mitmenschen, Kinder und Kindeskinder – arbeiten. Dies ist nur möglich, wenn man in der Lage ist, die Zusammenhänge zwischen dem eigenen Handeln und den indirekten Konsequenzen komplett auszublenden oder zumindest nicht zu hinterfragen. Ohne eine gehörige Portion Schizo-Kompetenz geht das nicht.

Als wäre das noch nicht schlimm genug, kommt noch ein zweiter Mechanismus hinzu, der die Beschleunigung der um sich greifenden Zerstörung noch mal zusätzlich befeuert: Der Ego-Booster!

Es sind nämlich gerade die bestbezahlten und angesehensten Jobs, die der Gesellschaft am meisten schaden. Auf einer Party bewundert jeder den McKinsey Partner für seine Schläue und Eloquenz und hängt an seinen Worten, während man mit der Krankenpflegerin lieber über das Wetter als über ihren Job spricht.  Leider sind dabei diejenigen, die die Konsequenzen ihrer Arbeit am besten ausblenden können, in diesen Jobs auch noch die erfolgreichsten. Durch diesen unterschwelligen und permanent ablaufenden Auswahlprozess sammelt sich dann unglücklicherweise ein ganz spezieller Menschentyp an den Hebeln der Macht an, den man vor dem Hintergrund des Allgemeinwohls und des Umweltschutzes dort eigentlich am wenigsten gerne dort sähe. Donald Trump lässt grüßen…

Ich selber kann mich von dieser Form der Schizophrenie auch nicht freisprechen. Ich arbeite in einer Digital-Agentur, die auf Kundenwunsch Handy-Apps aller Art produziert obwohl ich der Digitalisierung inzwischen äußerst kritisch gegenüber stehe. Nebenbei habe ich einen Toilettenhocker entwickelt und verkaufe ihn in die ganze Welt. Bei der Produktentwicklung haben wir schon einige wichtige Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt aber unterm Strich ist dabei auch nur ein weiteres Produkt entstanden, dessen Ziel und Zweck es ist, in möglichst hoher Stückzahl verkauft zu werden, sprich Geld zu verdienen. Ich bin also auch recht schizo-kompetent wenn es ums Geldverdienen geht.

b) Um Geld wieder auszugeben ist Schizophrenie sogar eine Voraussetzung.

Nicht jeder von uns gibt sein Geld nur für Produkte aus, die so erdacht und hergestellt wurden, dass sie einen positiven Einfluss auf die soziale und natürliche Umwelt haben – falls es solche Produkte überhaupt gibt. Heutzutage schafft es nur ein schizo-kompetenter Konsument im Alltag über Menschenrechtsverletzungen, Tierquälereien und Umweltzerstörungen hinweg zu sehen, und dabei auch noch die Bedrohungen für seine eigene Gesundheit und die seiner Angehörigen zu ignorieren.

Man hört über Menschenrechtsverletzungen und Umweltsünden in der Textilbranche in fernen Ländern aber kauft seine Socken günstig bei H&M. Man sorgt sich über den Klimawandel aber fliegt mit einem Billigangebot für ein verlängertes Wochenende nach Mallorca, um einen Freund zu besuchen, der mit Frau und Kind dorthin ausgewandert ist und auf der Insel sein Glück sucht.  Man liest über die allmähliche Verfettung der Menschheit aber zieht sich nach dem Ausgehen noch schnell noch zwei Cheeseburger für 2 EUR bei McDonalds rein. Ich könnte jetzt hier noch ewig so weitermachen und bei den aufgeführten Beispielen müsste ich korrekterweise das „man“ durch ein „ich“ ersetzen, denn für all das und vieles mehr habe ich mein Geld ausgegeben, obwohl tief in mir eine Stimme ganz leise dagegen protestiert hat. Ich habe sie in den Momenten des Kaufes einfach (gekonnt) ignoriert.

Da diese Stimme in den letzten Jahren aber immer lauter wurde, habe ich mich entschlossen, diesen Blog zu schreiben. Ich bin nicht besser als die anderen und möchte mich nicht als Moral-Apostel aufspielen. Ich will in diesem Jahr einfach nur gelegentlich innehalten und aufschreiben, was dieser Stimme zu sagen hat.

Daniel K., München

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