Über den GOTT GELD

Unglaublich, aber mein letzter Blogeintrag ist schon wieder sieben Monate her. Inzwischen ist im Pulverfass Naher Osten ein weiterer Krieg ausgebrochen, in den sich die USA und Großbritannien leider bereits aktiv eingemischt haben. Und Donald Trump wird trotz seines gescheiterten Putsches vom 6. Januar 2021 und einer Welle von Klagen gegen ihn höchstwahrscheinlich der Präsidentschaftskandidat der Republikaner bei den diesjährigen Wahlen sein. Insofern sehe ich mich leider in meiner Feststellung aus dem vorigen Beitrag bestätigt, dass die Zahl und das Ausmaß der globalen Fehlentwicklungen exponentiell zunehmen.

Was mich besonders schockiert, sind die offenen und lang andauernden Kriege, die mit der Zeit zu einer Art selbstverständlichem Hintergrundrauschen geworden sind. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine macht mich besonders betroffen. Nicht nur, weil er in Europa stattfindet, sondern weil mich das eiskalte strategische Kalkül Wladimir Putins fassungslos macht. Er sieht Schwächen in der europäischen Gemeinschaft und eine sich abzeichnende Verschiebung des globalen Machtgefüges weg von den USA hin zu China und nutzt diese Situation sofort mit größter Brutalität und Skrupellosigkeit aus. Dabei schreckt er nicht davor zurück, den Hunger in den Ländern der Dritten Welt als Druckmittel einzusetzen und die eigene Bevölkerung an der Front durch den Fleischwolf zu drehen.

Eine Lösung des Konflikts scheint leider nicht in Sicht. Das ukrainische Volk wird wohl kaum seine in den letzten Jahren gewonnene Freiheit aufgeben und sich wie Weißrussland als Vasallenstaat Russlands in sein Schicksal ergeben, und Wladimir Putin wird wohl erst zu Verhandlungen bereit sein, wenn er zumindest die 2022 annektierten Gebiete vollständig unter seine Kontrolle gebracht hat. Wie man jetzt schon sehen kann, werden diese Gebiete dann völlig verwüstet und vermint und alle Städte in diesen Gebieten absolut unbewohnbar sein.

Ich persönlich sehe aber schon eine Chance für einen vorzeitigen Waffenstillstand. Ich könnte mir nämlich folgendes Szenario vorstellen: Russland und die Ukraine ziehen sich vollständig aus den annektierten Gebieten zurück. Die Gebiete gehören zwar offiziell noch zur Ukraine, aber es gibt ein gemeinsames Abkommen, dass sie nicht mehr von Menschen besiedelt werden. Sie werden zu einem Naturschutzgebiet erklärt und sich selbst überlassen. In kürzester Zeit würde hier ein für die Wissenschaft hochinteressanter Prozess einsetzen, wenn sich die Natur diese Gebiete zurückerobert. Für die Ukraine bietet sich mittelfristig die einmalige Chance, ein in Europa einzigartiges Naturschutzgebiet zu schaffen, das sanften Tourismus ins Land bringt. Man könnte in diesen Gebieten regelrechte Safaris anbieten, bei denen man die europäische (Mega-)Fauna wie Braunbären, Wölfe, Elche und Wisente bestaunen kann. Die Renaturierung der Landschaft überlässt man den Profis, wie z.B. den Bibern, die hier endlich ihrem natürlichen Gestaltungstrieb freien Lauf lassen könnten. Und das alles vor einer Tschernobyl-ähnlichen Kulisse. Da würde ich sofort eine Tour buchen. Und für Wladimir Putin wäre es zumindest ein Teilerfolg, schließlich hat er eine Pufferzone zu Russland geschaffen, die sich militärstrategisch recht gut absichern ließe.

Doch leider wird mir schon beim Schreiben dieser Zeilen klar, dass eine solche gemeinwohl- und umweltorientierte Einigung wohl sehr unwahrscheinlich ist. Wie bei allen anderen menschengemachten Fehlentwicklungen, wie dem inzwischen vor der eigenen Haustür spürbaren Klimawandel, dem rasant zunehmenden Artensterben, der um sich greifenden Umweltzerstörung und -verschmutzung oder allen Fragen sozialer Ungleichheit, scheint die Menschheit einfach keine Antworten auf derart große Probleme finden zu können.

Können wir also gar nichts mehr tun oder gibt es vielleicht doch noch eine Möglichkeit, gegen diese vielfältigen Fehlentwicklungen anzukämpfen? Ein letztes Aufbegehren wäre vielleicht noch einmal der Versuch einer Ursachenforschung. Was ist die treibende Kraft hinter all diesen Entwicklungen, die im vorigen Beitrag beschrieben wurden und die unser sicheres Ende bedeuten? Gibt es die eine Ursache, die all dem zugrunde liegt? Die eine Ursache, die es zu beseitigen gilt, um vielleicht doch noch eine Chance zu haben?

Ich habe den Verdacht, dass unser geliebtes Geld diese Ursache ist und dass es, je mehr Menschen ihr Leben danach ausrichten, wie eine Art Brandbeschleuniger für all unsere Probleme wirkt.

Geld ist unsere Religion geworden. Wir alle glauben an Geld. Wir glauben an den Wert eines Geldscheins und an das Guthaben auf unserem Paypal-Konto. Aber wie kann es sein, dass wir alle einer Religion angehören, ohne es zu wissen? Wir wurden weder gefragt noch getauft, und doch sind wir alle gläubige Anhänger dieser Religion und vollziehen täglich ihre Rituale.

Der Grund dafür liegt in den wirklich eigenartigen Eigenschaften des Geldes. Im Grunde hat es nur eine einzige Eigenschaft: Es ist zählbar. Aber interessanterweise gehorcht es auch einer Art Schwerkraft und es ist extrem technikaffin.

Die Zählbarkeit des Geldes vereinfacht unser soziale Miteinander in einer immer komplexer werdenden Welt. Wo früher in kleinen Gruppen und Gemeinschaften auf Währungen wie Ehre und Verlässlichkeit gesetzt wurde, füllt heute das Geld diese Lücke. Früher musste man sich sozial korrekt verhalten, sonst drohte der Ausschluss aus der Gemeinschaft, was in der damaligen Zeit mitunter einem Todesurteil gleichkam. Man musste also möglichst viel von dieser Währung anhäufen, damit man sich auch mal einen Fehltritt erlauben konnte, ohne dass der Kontostand gleich ins Minus rutschte, was, wie gesagt, verheerende Folgen gehabt hätte.

Heute haben sich solche sozialen Strukturen fast vollständig aufgelöst und sind einer internationalen, voll digitalisierten Bienenstockstruktur gewichen, in der jeder nur noch an sein persönliches Fortkommen in Form von Geldanhäufung denkt. Geld hat unsere alten Werte ersetzt und wird immer mehr zu unserem einzigen Wert. Und dieser Wert bestimmt immer mehr unseren eigenen Wert. Je höher der Kontostand eines Menschen, desto höher sein sozialer Rang. Mit anderen Worten: Man kann heute ein unfassbares Arschloch sein und trotzdem von allen (Followern) bewundert werden. Hauptsache, man ist reich. Das ist sogar fast die Grundvoraussetzung für Erfolg. Trump ist das beste Beispiel für diese totale Umkehrung unserer Werte.

Das eigentlich Interessante ist, dass Geld von Geld angezogen wird und sich zu immer größeren Klumpen zusammenballt, bis es sich schließlich gänzlich in den Händen einiger weniger befindet. Im Grunde ist es dasselbe Gesetz der Schwerkraft, das vor vier Milliarden Jahren aus frei schwebenden Materieteilchen erst größere Klumpen und schließlich die Erde entstehen ließ.

Diese Eigenschaft macht das Geld so ungeeignet für eine gleichmäßige und gerechte Verteilung des Wohlstands unter den Menschen. Es sorgt dafür, dass die wesentlichen Entscheidungen von einer absoluten Minderheit getroffen werden und selbst diese Menschen am Ende gar nicht die eigentlichen Entscheidungsträger sind, sondern das Geld selbst vorgibt, in welche Richtungen es investiert wird, nämlich in die mit der höchsten Rendite, sprich mit der höchsten Schwerkraft.

Dies geht Hand in Hand mit der Digitalisierung und Technologisierung unserer Gesellschaft. Wir verabschieden uns immer mehr von der realen Welt und werden Schritt für Schritt in die digitale Welt überführt (Stichwort „Screentime“), ob wir wollen oder nicht, denn Geld ist der Technologietreiber schlechthin. Geld ist immer auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten, die eine hohe Rendite versprechen. Da Technologie genau diese Einsparungs- und Optimierungspotenziale bietet und zudem wunderbar quantifizierbar ist, wird automatisch in die Weiterentwicklung von Technologien investiert. Mit der Folge, dass die Technologie immer weiter vorangetrieben wird, auch wenn es außer dem rein finanziellen keinen wirklichen Grund gibt, die Technologie weiter voranzutreiben.

Das ist z.B. auch der Grund, warum die Welle der künstlichen Intelligenz gerade mit voller Wucht über uns hereinbricht und wir de facto eine „Nachfolgespezies“ schaffen, ohne dass 99,99% der Menschheit damit einverstanden sind, geschweige denn gefragt wurden. Die Entscheidungen werden im Silicon Valley vom Geld selber getroffen, der einzelne Mensch spielt dort schon lange keine maßgebliche Rolle mehr. Es ist das Geld, das diese Entscheidungen trifft und das eigentlich gar nicht existiert, außer in unserer Vorstellung, indem wir alle daran glauben. Wir haben uns einen Gott erschaffen, der uns nicht sieht.

Und da die Natur ein Gemeingut ist und keinen konkreten monetären Wert hat, bezieht das Geld sie nicht in seine Entscheidungen ein, sondern betreibt im Gegenteil Raubbau an ihr. Dasselbe gilt für soziale Werte, die aus der Sicht des Geldes nicht bezifferbar sind. Die Entscheidungen des Geldes gehen also per se immer zu Lasten der Umwelt und unseres Gemeinwohls mit all den schlimmen Folgen, die uns heute plagen. Wir müssen daher dringend nach Formen des Zusammenlebens suchen, in denen Geld als Verteilungsmedium keine Rolle spielt. Wir müssen dringend nach Alternativen zum Geld suchen, bevor es silikonbasierte Alternativen zum Menschen finanziert und wir als wertloser Abfall auf der Müllhalde der Geschichte landen. Es ist an der Zeit, sich gegen diesen Gott aufzulehnen und sich von dieser Religion zu verabschieden.